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Unter vielen nicht-Muslimen in Deutschland, aber auch unter vielen Muslimen herrscht die Auffassung, Scharia sei das islamische Recht, und dieses sei grundsätzlich nicht mit dem Grundgesetz und den Menschenrechten vereinbar. Dieser Gegensatz basiert jedoch auf einem verengten und vereinfachten Scharia Begriff und ignoriert die differenzierten Bedeutungen innerhalb der islamischen Theologie. Während die islamische Jurisprudenz eine umfassende Wissenschaft darstellt, und Urteile  der Expertise bedürfen, ist unter Jugendlichen die pauschale Verwendung von Begriffen des Islamischen Rechts wie haram und halal verbreitet.  Die vorliegenden Bausteine geben einen Einblick in die zuvorderst religiöse Bedeutung des Begriffs Scharia.

Das deutsche Grundgesetz und Verfassungen von Staaten allgemein regeln die Normen des menschlichen Zusammenlebens im Staat. Dagegen verweisen heilige Schriften auf das Transzendente und beinhalten Regeln bezüglich religiöser Bräuche. Für die Mehrzahl der Muslime besteht zwischen Demokratie und Islam kein Widerspruch. So finden sich zum Beispiel weder im Koran noch in der Prophetenüberlieferung Hinweise zur konkreten Herrschaftsausübung. Der Koran ist eine wichtige, aber auch sehr eingeschränkte Rechtsquelle.[1]

Die Scharia (šarīʿa, „Weg zur Wasserquelle“) gilt als das sogenannte „Islamische Recht“. Nach der gängigsten Zählung umfasst der Koran 6236 Verse. Die Zahl der „Verse, die auf eine rechtliche Beurteilung schließen lassen“ (āyāt al-akām) wird auf eine Zahl zwischen zwei- und fünfhundert geschätzt, wobei sich rund zwei Drittel dieser Verse auf gottesdienstliche Handlungen und nicht auf das zwischenmenschliche Zusammenleben beziehen.

Aufgabe der Scharia ist es, den Gottesbezug zwischen Mensch und Gott zu definieren, ähnlich dem Nomi-natio dei im Grundgesetz, wonach auf „Gott“ als diejenige für den Menschen unverfügbare Instanz verwiesen wird, vor der er Verantwortung tragen muss. [2]

Die islamische Gelehrsamkeit hat „klassische fünf Güter“ definiert, denen religiöse, soziale, moralische und rechtliche Normen unterzuordnen sind. Diese klassischen fünf Güter sind der Schutz des Lebens, des Eigentums, der Vernunft (Bildung), des Glaubens, der Nachkommenschaft (Familie).[3] Diese fünf Güter, die sich früh in der klassischen Gelehrsamkeit entwickelt haben, wurden festgeschrieben und sollen zeitlos sein. Jedoch ist die Ausgestaltung durch die konkreten sozialen, moralischen und rechtlichen Normen nach Ort und Zeit wandelbar. Das Konzept der Scharia ist zunächst als Annäherung an die göttliche, für den Menschen nicht verfügbare Instanz, zu betrachten.

Scharia bezeichnet demnach kein bestimmtes festgelegtes Regelwerk oder einen fixierten Gesetzestext, sondern meint zunächst nur den Umstand, eine Sache im Sinne von Koran und Sunna zu spezifizieren. Scharia bezeichnet die von Gott gesetzte Ordnung, die es zu erforschen gilt. Sie ist die Summe der göttlichen Beurteilungen der menschlichen Handlungen. Diese göttliche Beurteilung (ukm, Pl. akām) ist zunächst keine gerichtsverbindliche Rechtsbestimmung oder gesetzliche Vorschrift sondern der göttliche Text in Gesamtheit, der mit dem menschlichen Handeln verknüpft ist. Dieser Text entspricht dem wohlverwahrten „Buche“ im Himmel. Der Koran ist hieraus nur ein Ausschnitt, der für die Menschen erfahrbar wurde. Diese menschlichen Handlungen unterliegen nun der göttlichen Beurteilung, die von Anbeginn oder spätestens ab dem Zeitpunkt der Offenbarung feststeht.[4] 

 

Lernziele

Politisch-bildnerisch: Hinterfragen, was für ein Verhältnis von Islam und Gesellschaft/Regierungsform beschrieben wird.

Medienpädagogisch: Erkennen, der im Video enthaltenen Kritik. Hinterfragen wer mit welcher Expertise über Islam spricht und sprechen darf.

Religionspädagogisch: Die unterschiedlichen Begriffsverständnisse des Begriffs Scharia werden deutlich. Beschäftigung mit Autorität – Wer ist befähigt zu urteilen?

 

[1] Vgl. Bauer, Thomas. 2011. Die Kultur der Ambiguität.Berlin: Verlag der Weltreligionen. S. 143

[2] Vgl. Heinig, Michel & Hendrik Munsonius (Hg.) 2012. 100 Begriffe aus dem Staatskirchenrecht. Tübingen: Mohr Siebeck. S. 73.

[3] Vgl. Özsoy, Ömer. 2008. Die fünf Aspekte der Scharia und die Menschenrechte. In: Forschung Frankfurt. Das Wissenschaftsmagazin, Frankfurt/M. 1/2008, S. 24.

Vgl. Rohe, Mathias. 2011. Das islamische Recht. Geschichte und Gegenwart. München: CH Beck. S. 66. 

[4] Vgl. Bauer 2011, S. 158.

Videos

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Weitere Materialien und Informationen:

Bpb: Ist die Scharia eine Brücke? #travellingislam

Link

Im Video spricht die YouTuberin Hatice mit einem Islamwissenschaftler über das Konzept der Scharia. Dieser erklärt die umfassende Bedeutung der Scharia, die aus thematisch unterschiedlichen Normensystemen besteht.

Grundlagen-Texte

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Tagesschau Fakten-finder

Informationen zum Einsatz von YouTube im Unterricht

Lehrer-Online: Einsatz von YouTube im Unterricht

Bildungsportal des Landes NRW: Urheberrecht in Schule und Unterricht